Ein Abenteuer, manchmal mit Angst
Dr. Traudl Solleder erinnert sich
„Meine Arbeit für medmissio war ein Abenteuer. Manchmal hatte ich auch Angst. Aber an Aufgeben habe ich nie gedacht, weil ich merkte, dass ich vielen Menschen helfen kann.“ Traudl Solleder, Ärztin und bis ins hohe Alter bei medmissio aktiv, spricht gerne Klartext. Gefragt, was sie dem Jubilar denn zum runden Geburtstag wünsche, sagt sie lieber, was sie ihm auf keinen Fall wünscht: „Dass es die falschen Aufgaben erfüllt, zum Beispiel, indem es sich um die Gesundheit von Menschen kümmert, die das selbst übernehmen könnten“. Aber einen positiven Wunsch hat sie freilich auf: medmissio solle noch lange bestehen, um die Gesundheit vor allem der Ärmsten im Süden zu verbessern.
Abenteuer im Sattel
Traudl Solleder hat eine vielseitige berufliche Laufbahn hinter sich. Bereut hat sie ihren Einsatz im Süden bis heute nicht, denn sie habe viele „Highlights“ erlebt. „Ich konnte immer etwas bewegen. Im Rückblick glaube ich nicht, dass ich etwas Unsinniges gemacht habe. Den Menschen konnte ich immer irgendwie helfen“, ist sie überzeugt. Zum Stichwort Abenteuer denkt sie zuerst ans Reiten. Sie sei keine geborene Reiterin gewesen. In Lesotho blieb ihr aber nichts anderes übrig, als für Patientenbesuche in den Sattel zu steigen. Also nahm sie vor der Ausreise nach Afrika in Schwabach bei Nürnberg Reitstunden. Damals habe niemand gedacht, dass sie bei ihrem Auslandseinsatz wirklich zu Pferd unterwegs sein würde, am wenigsten sie selbst, erzählt sie mit einem Augenzwinkern.
Ihre Reitabenteuer habe sie gerne in Kauf genommen, sagt sie. Denn ohne die Möglichkeit, für das Institut ins Ausland zu gehen, wäre sie keine Ärztin geworden. „Dann hätte ich lieber etwas ganz anderes gemacht.“ Sie war überzeugt, dass ihre Arbeit in Afrika dringender gebraucht wird als in Deutschland. Als sie sich aufmachte, habe sie allerdings nicht gedacht, dass sie so lange bleiben würde. „Das hat sich so entwickelt.“
HIV und Corona bedrohen vor allem die Armen
Auf die Corona-Pandemie angesprochen, sagt Traudl Solleder, sie hätte wie viele andere niemals gedacht, dass die Lage so dramatisch werden würde, vor allem in den armen Ländern. Die heutige Situation erinnere sie an die Zeit vor 40 Jahren, als die ersten HIV-Fälle auftraten. In Südafrika habe man zunächst nicht viel darüber geredet, „doch dann ist es richtig schlimm geworden“. Mit Corona habe HIV/Aids gemein, dass es sich bei beiden um Armutskrankheiten handele, die arme Menschen weit schlimmer träfen als die Bewohner reicher Nationen.
Diplomatie ist gefragt
Eine Prognose, wohin sich medmissio in den kommenden 100 Jahren entwickeln wird, möchte Traudl Solleder nicht wagen. Auf jeden Fall rät sie ihren Nachfolgerinnen und Nachfolgern, auch mit denjenigen gut zusammenzuarbeiten, mit denen man nicht immer übereinstimme. Wenn man etwa mit fremden Regierungen zu tun habe, müsse man bei Widerständen diplomatisch handeln. Und noch einen Rat gibt die ehemalige Missionsärztin ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg: „Nehmt euch nicht zu wichtig. Es ist eine große Gefahr, zu denken, man schaffe mehr als man tatsächlich kann.“
Elke Blüml