„Erfolg wäre, wenn unsere Arbeit nicht mehr nötig wäre“
Der Tropenmediziner Prof. Dr. August Stich ist seit Vorstandsvorsitzender von medmissio. Dessen Arbeit sieht er als Erfüllung des christlichen Heilungsauftrages. Auch wenn sich viele diesem Auftrag verbunden fühlten, sei medmissio als Organisation einzigartig.
Herr Prof. Stich, medmissio blickt auf 100 Jahre zurück. Kann man von einer Erfolgsgeschichte sprechen?
Prof. Dr. August Stich: Die vergangenen 100 Jahre brachten das Missionsärztliche Institut auf einen bewegten Pfad. Eine Erfolgsgeschichte wäre es, wenn sich durch unsere Arbeit Leid und Not auf der Welt verringert und alle Menschen ihr Recht auf Gesundheit verwirklichen hätten. Deshalb kann ich nicht zufrieden zurückblicken. Unser größter Erfolg wäre, wenn unsere Arbeit nicht mehr nötig wäre.
Was macht aus Ihrer Sicht medmissio einzigartig? Was würde fehlen, wenn es medmissio nicht gäbe?
Wir sind das Instrument der Kirche im Ringen um mehr Gesundheit für die Menschen. Für uns ist Arbeit die Erfüllung des christlichen Heilungsauftrages. Viele fühlen sich diesem Auftrag verbunden, aber als Organisation, als Institut, sind wir einzigartig.
Wenn Sie medmissio eine Glückwunschkarte zum 100. Geburtstag schicken würden – was wurden Sie schreiben? Was wünschen Sie ihm, was wünschen Sie ihm auf keinem Fall?
Ich würde medmissio wünschen, weiterhin viele Menschen zu gewinnen, sich für unser Grundanliegen – mehr Gesundheit in der Welt – einzusetzen. Auf keinen Fall wünsche ich uns, dass wir in eine Welt geraten, in der Engagement für andere Menschen, besonders für Arme und Kranke, kein Interesse mehr findet.
Was würden Sie medmissio (symbolisch) zum runden Geburtstag schenken?
Viele Menschen, welche die Anliegen und Ziele unseres Instituts teilen und bereit sind, auf vielfältige Weise mitzuarbeiten.
Wo sehen Sie medmissio in 100 Jahren?
100 Jahre sind für uns Menschen eine lange Zeit, länger als die allermeisten von uns leben werden. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels, seine zerstörerischen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und die Stabilität unseres Planeten, das dominierende Thema werden. Ich hoffe, dass medmissio sich den neuen Herausforderungen stellt.
Ein Rückblick auf unsere Geschichte ist gut, denn so lernt man und profitiert von Erfahrung. Aber gleichzeitig brauchen wir den Blick in die Gegenwart und nach vorne, die Kraft der Entwicklung und Veränderung. Wo dieser Weg uns alle hinführt, kann heute noch keiner sagen. Wichtig ist nur, dass wir an der Seite derer bleiben, die unsere Unterstützung brauchen, und dass sich durch unsere Arbeit das Schicksal von Menschen auch merklich verbessert.
Das Gespräch führte Elke Blüml