Der G20-Gipfel in Rio de Janeiro (Brasilien), der am 19. November zu Ende ging, hätte ein Wendepunkt sein können – ein Moment, um die Weichen für eine gerechtere Welt zu stellen. Stattdessen wirkte die Abschlusserklärung in weiten Teilen wie ein gut gemeintes, aber zahnloses Dokument. Für die Länder des Globalen Südens, die dringend auf konkrete Unterstützung angewiesen sind, war dieser Gipfel eine Mischung aus Hoffnung und Enttäuschung.
Die von Brasiliens Präsident Lula da Silva vorgeschlagene „Global Alliance Against Hunger and Poverty“ war zweifellos ein Highlight der Konferenz. Unterstützt von 82 Nationen soll diese Initiative die am stärksten von Armut betroffenen Regionen ins Zentrum der globalen Aufmerksamkeit rücken. Sie könnte Leben retten, indem sie finanzielle und technische Hilfe in Gebiete bringt, in denen Hunger nicht nur eine Statistik, sondern tägliche Realität ist.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Hunger ist der Grundstein vieler Gesundheitskrisen. Wer unterernährt ist, hat kleine Chancen Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose zu überleben. Aber: Die Finanzierung bleibt unklar. Reiche Länder wie die USA und Kanada, die sich häufig aus solchen Verpflichtungen zurückziehen, sind bisher nicht mit verbindlichen Zusagen aufgefallen.
Es ist die bittere Ironie unserer Zeit, dass die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, am stärksten unter seinen Auswirkungen leiden. Während die G20-Staaten erneut ihre Verantwortung für Klimaschutz betonten, gab es keine konkreten Zusagen, wie ärmeren Ländern geholfen werden soll, sich an die bereits spürbaren Folgen wie Dürren, Überschwemmungen und Gesundheitskrisen anzupassen.
Für den Globalen Süden ist der Klimawandel kein Zukunftsproblem, sondern eine mittlere Katastrophe. Ohne Unterstützung drohen Millionen von Menschen an den gesundheitlichen Folgen zu sterben.
Deutschland und Japan, obwohl als Vorreiter in der Umweltpolitik bekannt, stehen in der Kritik, ihrer Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern nicht gerecht zu werden. Programme zur Anpassung und Finanzierung nachhaltiger Gesundheitsinfrastrukturen fehlen weiterhin.
Der Gipfel hätte ein starkes Zeichen setzen können, um die globalen Gesundheitskrisen zu bewältigen. Doch obwohl Ziel 3 der UN-Agenda 2030 – ein gesundes Leben für alle Menschen – mehrfach beschworen wurde, blieb die Abschlusserklärung vage. Länder wie Indien und Südafrika hatten konkrete Forderungen gestellt, um Gesundheitssysteme im Globalen Süden zu stärken, wurden aber weitgehend ignoriert. Das ist eine vertane Chance, die Gesundheit als Menschenrecht zu etablieren. Ohne faire Finanzierung werden die Schwächsten weiterhin die Hauptlast tragen.
Eines der größten Versäumnisse des Gipfels war das Fehlen von Fortschritten bei der Reform globaler Institutionen wie des UN-Sicherheitsrats. Diese Institutionen repräsentieren weiterhin die Machtverhältnisse des 20. Jahrhunderts und marginalisieren die Länder des Südens.
Solange der Globale Süden in den großen Entscheidungen der Welt nur eine Nebenrolle spielt, wird sich wenig ändern. Die mangelnde Repräsentation verstärkt die bestehende Ungleichheit und blockiert Fortschritte, die dringend benötigt werden.
Die Diskussion über eine globale Steuer von 2 Prozent auf Milliardäre könnte zusätzliche Mittel für soziale und Gesundheitsprogramme generieren. Doch der Widerstand ist groß: Länder wie die USA und Saudi-Arabien, die traditionell geringe Steuern auf Vermögen erheben, blockieren Fortschritte. Eine solche Steuer könnte ein entscheidender Schritt sein, um die Finanzierungslücke im Gesundheitssektor zu schließen. Doch ohne den politischen Willen bleibt sie ein Traum.
Fazit: Große Erwartungen, begrenzte Ergebnisse
Die Abschlusserklärung des G20-Gipfels lässt viele Fragen offen. Zwar gibt es einige hoffnungsvolle Ansätze, doch der fehlende Mut zu verbindlichen Verpflichtungen zeigt, wie schwer sich die Weltgemeinschaft tut, echte Solidarität zu leben.
Die Länder des Globalen Südens verdienen mehr als schöne Worte. Sie verdienen konkrete Taten, die das Menschenrecht auf Gesundheit Realität werden lassen. Solange dies ausbleibt, wird der Globale Süden weiterhin die Hauptlast globaler Krisen tragen – und die G20 wird ihrer Verantwortung nicht gerecht.
Kai Fraass